Was unterscheidet den Gutachter vom Sachverständigen?

von Carsten Nessler
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Ich werde immer mal wieder gefragt ob ich Gutachter sei, oder Sachverständiger. Meine Antwort lautet dann: „Ich bin beides!

Der Begriff Gutachter ist ein Synonym für Sachverständiger; beide Begriffe meinen in der Regel das Gleiche. Wenn man so will, dann ist Sachverständiger der offizielle Begriff, da dieser in Gesetzestexten vorkommt und auch vor Gericht so benannt wird. Im Sprachgebrauch hat sich der Begriff Gutachter durchgesetzt, weil ein Sachverständiger eben Gutachten erstellt. Jemand der backt ist eben Bäcker und jemand der Gutachten erstellt ist eben Gutachter… aber stimmt dieser Rückschluss so?

Jemand mit einem hohen Fachwissen, der sich in seinem Bereich – seinem Fachgebiet, sehr gut auskennt, hat eine besondere Sachkunde. Kann er jetzt noch diese besondere Sachkunde aus seinem Fachgebiet – die Fachkompetenz – mit Sachverstand anwenden, so haben wir im Grunde genommen schon einen Sachverständigen.

Doch damit nicht genug: Die Aufgabe des Sachverständigen ist es Tatsachen festzustellen, diese einzuschätzen und zu bewerten, sowie hieraus die korrekten Schlussfolgerungen zu ziehen. Ziel eines Sachverständigen sollte es dabei sein, diese teilweise komplexen Sachverhalte dem Laien nachvollziehbar darlegen und verständlich erläutern zu können. Wird dies in schriftlicher Form zusammengefasst, nennt man das üblicherweise ein Gutachten.

Somit ist die Antwort auf die zuvor gestellte Frage „stimmt dieser Rückschluss?“: Nein! Ein Dokument mit der Überschrift „Gutachten“ ist vielleicht mal eben schnell geschrieben – aber wenn dies ohne Fachkompetenz geschieht, ein unlogisches Ergebnis liefert, oder für den Laien unverständlich und nicht nachvollziehbar geschrieben wird, dann ist der Schreiber weder ein Gutachter noch ein Sachverständiger.

Es kennzeichnet den Sachverständigen aus, nicht nur anhand seines Sachverstandes die Gegebenheiten zu überprüfen oder andere anzuleiten, sondern seine Kompetenz in einer klaren und verständlichen Sprache verbal als auch schriftlich vermitteln zu können.

Auch klärt ein Sachverständiger seine Kundschaft auf, wo die Grenzen seines Fachgebietes und seiner Kenntnisse sind. Wenn ein Sachverständiger sagt: „Das kann ich nicht, da das nicht in meinem Fachgebiet liegt!“ – dann ist das kein Zeichen von fehlendem Know-How, sondern gerade ein Zeichen von fachlicher Kompetenz die Grenzen zu ziehen und zu wissen wo Schluss ist.

Aufgrund seiner fachlichen Kompetenz wird einem Bausachverständigen viel Wissen abverlangt. Hierbei wird von Gericht, oder vom Endverbraucher, gerne mal das Eine mit dem Anderen zusammen in einen Topf geworfen.

So etwas geht ganz schnell:
– Ein Gebäude… mit Swimming-Pool im Garten… und einer defekten Wärmepumpe. Kann der Bausachverständige eine defekte elektrische Anlage einschätzen?

– Eine Immobilienbewertung der baulichen Anlagen und man solle doch die Überprüfung der Solaranlage auf dem Dach gleich mit durchführen.

– Oder umgekehrt: Der Schadenssachverständige kennt sich doch mit Gebäuden gut aus – dann kann er doch gleich nach der Begutachtung von den Bauschäden auch eine Immobilienbewertung für den Marktwert der Immobilie machen.

Ist der Sachverständige dafür qualifiziert? Wenn ja, dann ist alles in Ordnung und es geht nur noch um die Honorarfrage; wenn nein, dann sollten spätestens hier klare Grenzen gesetzt werden.

Als Sachverständiger sagen Sie jetzt, dass Sie das sowieso in dieser Art handhaben? Weiß der Kunde das auch? Versteht der Laie, wenn der Sachverständige bei der Bestandskontrolle vom Dach oder aus dem Keller kommt und sagt „alles in Ordnung!“, dass dieser möglicherweise nicht die Solaranlage oder die Heizung überprüft hat?
Bei der Kaufbegleitung einer Immobilie soll der Gutachter auf die Frage des Kunden „entspricht der Kaufpreis dem Marktwert?“ antworten – versteht der Kunde, dass wenn der Gutachter jetzt antwortet, dies seine persönliche Einschätzung ist und er nicht mal eben den Verkehrswert (Marktwert) nach § 194 BauGB im Kopf ausgerechnet hat?

Hier ist eine klare Kommunikation gefordert!

Auch das Gericht macht es sich mitunter recht einfach: Ein mit einem Privatgutachten beauftragter Sachverständiger soll als Zeuge vor Gericht aussagen. Manche Richter glauben nun mit dem vorgeladenen Zeugen einen günstigen Sachverständigen zu haben, den man mal eben schnell für „kleines“ Zeugengeld befragen kann, ohne nach dem JVEG abrechnen zu müssen. Doch ein Zeuge gibt nur Auskunft über seine eigene Person, seine eigene Wahrnehmung, oder vorgefundene Tatsachen. Sofern vor Gericht sachverständige Fragen beantwortet werden sollen, die über die Wahrnehmung eines Zeugen hinaus gehen, oder Schlussfolgerungen aufgrund der besonderen Sachkunde abverlangt werden, oder gar Einschätzungen von Tatsachen vorgenommen werden sollen, dann ist die befragte Person nicht länger Zeuge, sondern Sachverständiger. Sein Honorar ist dann als Sachverständiger nach dem Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz (JVEG) abzurechnen. Siehe ‘Beispiele aus der Rechtsprechung’

Es gibt im Bereich der Sachverständigentätigkeit noch weitere Begriffe und Benennungen für den Gutachter:

  • Öffentlich bestellter und vereidigter (ö.b.u.v.) Sachverständiger

Um die öffentliche Bestellung zu erlangen, muss ein Sachverständiger zumeist vor einer sogenannten Bestellungskörperschaft wie einer Industrie- und Handelskammer, einer Handwerkskammer, oder einer Architektenkammer eine Prüfung ablegen. Nach erfolgreicher Prüfung kann der Sachverständige dann in seinem Bestellungsgebiet (seinem Fachgebiet) öffentlich bestellt und vereidigt werden.

Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige werden bevorzugt von Gerichten hinzu gezogen, da ihnen durch die erfolgte Prüfung und der Bestellung eine überdurchschnittliche Fachkenntnis, die notwendige persönliche Eignung und Fähigkeit Gutachten zu erstatten bescheinigt wird. Zu den Pflichten von ö.b.u.v. Sachverständigen zählen (wie es für andere Sachverständige auch selbstverständlich sein sollte) die unabhängige, weisungsfreie, gewissenhafte und unparteiische Erfüllung ihrer Aufgaben.

  • Gerichtsgutachter

Den klassischen Gerichtsgutachter, der am besten auch noch mit einer Festanstellung bei Gericht beschäftigt wird, gibt es nicht. Mit einem Gerichtsgutachter oder Gerichtssachverständigen ist der durch ein Gericht beauftragte Sachverständige gemeint, der dem Richter zuarbeitet. Er soll aufgrund seiner besonderen Sachkunde, unabhängig und objektiv, die vom Gericht gestellten Fragen beantworten, um dem Richter eine Schlussfolgerung und somit eine Urteils-Entscheidung zu ermöglichen.

Das Gericht ist in seiner Entscheidung welchen Sachverständigen es hinzuzieht frei; es wird bevorzugt öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige zu Rate ziehen, kann aber auch unbeeidete freie Sachverständige hinzuziehen und diese im Verfahren vereidigen.

  • Bausachverständiger

Im Sprachgebrauch hat sich für den Immobilienbereich der Begriff Bausachverständige oder Baugutachter durchgesetzt; gemeint ist damit der Sachverständige für die Bewertung von Schäden an Gebäuden oder auch der Sachverständige für Bauschäden.
Der Bausachverständige ist Experte im Bereich der Bauausführung und des aktuellen Bauzustandes. Er kontrolliert einzelne ausführende Gewerke bei einem Neubau / Umbau, oder begleitet das gesamte Bauvorhaben und unterstützt beim Aufzeigen von eventuell vorhandenen Mängeln bei der Bauabnahme.

Seine Fachkompetenz kann der Bausachverständige von Anfang an einbringen; zum Beispiel mit einer Begutachtung vor dem Hauskauf, oder der Beratung vor einem Baubeginn. Auch wenn Ihr Haus (noch) nicht unmittelbar betroffen ist kann der Bausachverständige Sie unterstützen: Steht der Abriss des Nachbarhauses an, oder wird in unmittelbarer Umgebung Ihres Hauses eine Baugrube ausgehoben, so können hieraus eventuell Schäden an Ihrem Gebäude entstehen. Hierfür gibt es ein sogenanntes Beweissicherungsgutachten; dabei wird der aktuelle Zustand Ihrer Immobilie vor der Veränderung in der Nachbarschaft dokumentiert, um danach eventuell aufgetretene Schäden an Ihrem Haus dieser Veränderung zuordnen zu können.

Wenn Sie sich beim Kauf einer Immobilie unsicher über den Zustand sind, kann Ihnen Ihr Bausachverständiger in einem Termin vor Ort weiterhelfen und das Haus auf Schäden und Mängel überprüfen.

  • Immobiliengutachter

Der Immobiliengutachter, oder Sachverständige für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken, ermittelt den Verkehrswert (Marktwert) nach dem Baugesetzbuch. Wenn die Immobilie / das Grundstück nicht mal eben so verkauft werden kann, um den tatsächlichen Wert über den Kaufpreis ermitteln zu können, kommt der Immobiliengutachter ins Spiel. Nach der Definition des § 194 BauGB wird hier der Preis ermittelt, der beim gewöhnlichen Verkauf der Immobilie zu einem definierten Zeitpunkt erzielbar (gewesen) wäre – u.a. unter Berücksichtigung von Rechten und Lasten, sowie Zustand, Nutzbarkeit und Lage, – aber unter Ausschluss von persönlichen (Verkaufs-)Nöten oder von der Marktüblichkeit abweichenden Kaufpreisen (zum Beispiel beim Verkauf zwischen Verwandten).

Je nach Qualifikation schließt dies auch den Sachverständigen für die Wertermittlung von Mieten und Pachten, sowie die Bewertung des Beleihungswertes für Kreditinstitute nach dem Pfandbriefgesetz, mit ein.

[Aus Gründen der Lesbarkeit wurde auf eine feminine duplizierte Bezeichnung der Berufsgruppen verzichtet. Dies soll in keiner Weise die Fähigkeiten oder Kompetenzen schmälern. Weibliche Sachverständige, Gutachterinnen und Richterinnen sind in diesen Texten ebenso beschrieben wie ihre männlichen Pendants. Natürlich sind in diesem Artikel auch die amtlich sowie staatlich anerkannten Sachverständigen, als auch durch eine Akkreditierungsstelle oder anderweitig zertifizierte Sachverständige sowie freie und verbandsanerkannte Sachverständige angesprochen.]


Beispiele aus der Rechtsprechung:

Voraussetzungen der Gewährung von Zeugenentschädigung oder Sachverständigenvergütung für eine Beweisperson
Eine Beweisperson ist als Zeuge oder Sachverständiger anzusehen und entsprechend zu vergüten, wenn sich dies aus dem sachlichen Gehalt ihrer Vernehmung ergibt. Maßgeblich ist insoweit nicht ihre Bezeichnung im Beweisbeschluss oder Ladungsschreiben. Entscheidend ist der sachliche Gehalt der Vernehmung und, wenn es zur Vernehmung nicht kommt, der sachliche Gehalt der der Beweisperson gestellten Aufgabe. Wird von der Beweisperson in der Vernehmung die sachverständige Bewertung von Tatsachen verlangt (hier: die Beurteilung, ob Kraftfahrzeugschäden auf ein Unfallereignis zurückzuführen sind) und nicht lediglich die Bekundung von Tatsachen aufgrund sachverständiger Kenntnis, so ist sie wie ein Sachverständiger zu vergüten. Dann kommt es nicht darauf an, ob das Gericht seine Ausführungen für die Entscheidung verwertet hat.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.10.2010, Az. I-10 W 105/10, 10 W 105/10.

Entschädigung eines sachverständigen Zeugen entsprechend der Vergütung eines Sachverständigen
Grundsätzlich ist der sachverständige Zeuge als »echter« Zeuge zu behandeln. Im Einzelfall kann jedoch auch seine Einstufung als Sachverständiger in Betracht kommen. Dies richtet sich nach dem ihm vom Gericht erteilten Auftrag, im Übrigen nach dem Inhalt der Bekundungen. Als Sachverständiger kann auch derjenige erscheinen, der als sachverständiger Zeuge geladen, aber – im Laufe der Vernehmung – von dem Gericht als Sachverständiger angehört und befragt worden ist (»Umwandlung« des Zeugen während des Verhandlungstermins in einen Sachverständigen durch Abfrage von sachverständiger Kompetenz).
OLG Rostock, Beschluss vom 08.04.2008, Az. 1 U 32/08

Sachverständigenentschädigung: Ladung des Sachverständigen als Zeuge
Wird der Sachverständige als Zeuge geladen, im Verhandlungstermin aber nicht nur über seine früheren Tatsachenfeststellungen vernommen, sondern auch zu einer sachverständigen Wertung veranlasst, ist er für seine gesamte Teilnahme am Verhandlungstermin als Sachverständiger zu entschädigen.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.04.2000, Az. 11 W 35/00

Entschädigung des als sachverständigen Zeugen geladenen Bausachverständigen
Die Entschädigung einer Person für Sachverständigentätigkeit richtet sich nach dem erteilten gerichtlichen Auftrag und dem Inhalt der Bekundung. Nicht entscheidend ist es, wie die Person vom Gericht oder den Parteien bezeichnet wird. Überprüft ein als »sachverständiger Zeuge« bezeichneter Bausachverständiger auftragsgemäß die Notwendigkeit und Schlüssigkeit von Techniker- und Ingenieurstunden bei Bauvorhaben, stellt dies eine typische Sachverständigentätigkeit dar und die Entschädigung richtet sich nach den Vorschriften für Sachverständige und nicht nach den Vorschriften für Zeugen.
OLG Koblenz, Beschluss vom 12.11.2004, Az. 14 W 735/04

Entschädigung einer Beweisperson als Zeuge oder als Sachverständiger
Die Frage, ob eine Beweisperson als Zeuge oder als Sachverständiger anzusehen und zu entschädigen ist, ist weder davon abhängig, wie sie von der beweisführenden Partei bezeichnet und im Beweisbeschluss aufgeführt ist, noch davon, ob sie als (sachverständiger) Zeuge oder als Sachverständiger geladen worden ist. Entscheidend ist vielmehr der sachliche Gehalt der Vernehmung und, wenn es zur Vernehmung nicht kommt, der sachliche Gehalt der der Beweisperson gestellten Aufgabe.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.11.2004, Az. I-10 W 88/04, 10 W 88/04


Bitte beachten Sie: Die Inhalte in diesen News dürfen und können keine Rechtsberatung darstellen, oder diese ersetzen.

Dieser Artikel wurde im Juni 2014 in der Fachzeitschrift ‘Der Bausachverständige’ veröffentlicht.

Über den Autor: Carsten Nessler

Als Bausachverständiger für Schäden an Gebäuden und als Gutachter für die Bewertung von Immobilien ist Carsten Nessler für Sie in der Region Frankfurt, Mainz und Wiesbaden Ihr Ansprechpartner vor Ort. In einem gemeinsamen Ortstermin werden alle Sachverhalte aufgenommen und dokumentiert. Sie haben Fragen? Sprechen Sie ihn gerne an!

Cover-Seite der Fachzeitschrift "Der Bausachverständige" mit dem Artikel des Baugutachters Carsten Nessler zum Thema: "Was unterscheidet den Gutachter vom Sachverständigen?"
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